
Herr Dr. Beike, wie lässt sich die Nachhaltigkeit eines Geschäftsmodells quantitativ bewerten?
Die quantitative Bewertung erfolgt mit dem von unserem Beratungsteam entwickelten Konzept ERIX (Effizienz-Resistenz-Index). Das bildet den effizienten oder auch ineffizienten Umgang mit Personal-, Sach- und Kapitalressourcen ab und ist gleichfalls Gradmesser für die Widerstandsfähigkeit einer Bank. Dabei werden die Institute anhand ihrer Effizienz ranggereiht. Eine weitere Rangreihung erfolgt im Hinblick auf die Risikoresistenz. Beide Rangreihungen werden zu einer einzigen verdichtet und indexiert auf einen Wertebereich von 0 Prozent, schlechtester Rangplatz, bis 100 Prozent, bester Rangplatz. Eine Bank mit einem Wert von beispielsweise 75 Prozent schneidet verglichen mit allen anderen LSI-Primärinstituten mithin ziemlich gut ab. Ein Viertel, also 25 Prozent der Institute, liegen auf der Rangliste zwar noch über der Auswertungsbank, dafür lässt die Bank aber drei Viertel aller Sparkassen und Genossenschaftsbanken hinter sich. Der ERIX-Wert lässt sich in seine Komponenten zerlegen und auf diese Weise bis ins Detail auf seine einzelnen Einflussfaktoren herunterbrechen.
Was kann aus der datenbasierten Analyse in puncto Qualität abgeleitet werden?
Die Betrachtung der ERIX-Werte im Zeitablauf verrät einiges über die Qualität des Geschäftsmodells (Business Model Quality, kurz BMQ): Welchem Trend folgen die Werte, auf welchem Niveau liegen sie und wie stark schwankt der ERIX in den einzelnen Jahren? Antworten liefert der BMQ-Radar. Die Analyseergebnisse sind im Internet kostenfrei und ohne Registrierung für jedes beliebige LSI-Primärinstitut aus der Genossenschaftlichen und Sparkassen-Finanzgruppe abrufbar.
Nachhaltigkeit erfordert eine Ertragsfähigkeit über mehrere Jahre. Wie kann das Geschäftsmodell in Corona-Zeiten strategisch nachhaltig ausgerichtet werden?
Strategische Nachhaltigkeit erreichen Banken in erster Linie durch Fokussierung auf das Kundengeschäft. Institute mit anderer Schwerpunktsetzung und einseitiger Risikoübernahme, wie etwa Spezialbanken schneiden unseren Auswertungen zufolge sichtlich schlechter ab. Eine in der Strategie verankerte stärkere Hinwendung zum Kundengeschäft trägt insbesondere in Pandemiezeiten zur nachhaltigen Ausrichtung des Geschäftsmodells bei. Dafür sind weder Konzepte noch Prozesse neu zu erfinden. Vielmehr sind die vorhandenen Vorgehensmodelle noch stringenter anzuwenden, was nur mit einer konsequenten, an den Kundenbedarfen ausgerichteten vertrieblichen Führung gelingt. Der Vorstand spielt die entscheidende Rolle, denn allein ihm obliegt die Festlegung und Anpassung der Strategie. Ohne den Vorstand als „Taktgeber“ fehlt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der notwendige Orientierungsrahmen für eine am Kunden ausgerichtete Bankkultur.
Wie können insbesondere Genossenschaftsbanken die zunehmenden Anforderungen in der aktuellen Situation chancenorientiert meistern?
Verglichen mit anderen Instituten haben Volks- und Raiffeisenbanken eigentlich die besten Chancen. Als Grund dafür sehen wir den schon vor vielen Jahren eingeschlagenen und mittlerweile nahezu abgeschlossenen Konsolidierungskurs der genossenschaftlichen Finanzgruppe, die beginnend beim Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) über die Verbundunternehmen bis hin zum Rechenzentrum ihre Kräfte zum Nutzen der Kunden konsequent gebündelt hat. Insbesondere die über sämtliche Verbundschnittstellen harmonisierten und damit durchgängigen Kundengeschäftsprozesse sind in Deutschland nahezu konkurrenzlos. Angesichts dieser sehr guten Ausgangsbedingungen können sich Volksbanken- und Raiffeisenbanken mit ganzer Kraft den Bedarfen ihrer Kunden widmen.
In unserem Webinar "Geschäftsmodellanalyse – Zielgerichtet auf Fragen der Aufsicht vorbereiten" stellen Ihnen Dr. Rolf Beike und sein Kollege Dr. Niklas Lach das Prozedere der Aufsicht systematisch vor und befähigen Sie, im Dialog mit BaFin und Bundesbank kompetent zu argumentieren.